Wie Kinder im Bereich der Digitalisierung den Anschluss an Bildung verloren haben.

von Konstantin Böck:

Wie Kinder im Bereich der Digitalisierung den Anschluss an Bildung verloren haben.

Das warme Wetter im Sommer lockt viele Kinder nicht nur in die Parks, sondern auch in Gegenden, in denen gute WLAN-Verbindungen zur Verfügung stehen. Beispielsweise sind Plätze vor Jugendzentren oder vor diversen Cafés sehr beliebt. Mit den Handys wird gespielt, für die Schule gearbeitet und Kontakt zu Familien und Freunden gehalten: Jene, die zuhause keinen Computer haben, erledigen alles über die kleinen elektronischen Geräte. Für Kinder aus armen Familien gestaltet sich die Verwendung ihres Telefons abseits von öffentlichen WLAN-Verbindungen als sehr schwierig. Sie können damit nicht telefonieren, das Internet nutzen oder SMS schreiben, weil ihre Wertkarten nicht ausreichend Guthaben haben und ihre Familien sich zu Hause kein stationäres Internet leisten können. Muss im Haushaltsbudget gespart werden, so können sich bereits Kosten von rund 25 Euro pro Monat für Internet als sehr teuer herausstellen.

Ziellose Diskussionen um Bildung

Wenn über Bildung diskutiert wird, wird selten über Kinder gesprochen, die aus finanziellen Gründen den Anschluss an die Digitalisierung verpasst haben. Die Bildungsdiskussionen der letzten Jahre waren von emotionalen Debatten über Brennpunktschulen geprägt, die jedoch zu keiner langfristigen Veränderung geführt haben. Medien berichteten ausführlich über den Migrationsanteil an Schulen, aber selten darüber, was notwendig wäre, um einen zukunftsorientierten Unterricht zu gewährleisten. Als im Jahr 2017 kurzzeitig über kostenlose Laptops und WLAN-Verbindungen an Schulen im Rahmen der Schulbuchaktion 2.0 diskutiert wurde, konnte ich kurz Hoffnung schöpfen: Endlich gab es Reformen für mehr Digitalisierung an Schulen. Erreicht wurde jedoch nichts. So durfte ich erst vor kurzem Kinder bei der Korrektur ihrer Bewerbungen unterstützen, die zuhause keinen Computer besaßen und diese daher mit der Hand geschrieben hatten. Zugegebenermaßen können die Kinder auf diese Weise ihre Handschrift festigen, aber bei der Suche nach einer Lehrstelle erweist sich eine handschriftliche Bewerbung erfahrungsgemäß als wenig zielführend. 

Dann kam Corona

Als die Öffentlichkeit im Jahr 2017 über die Vergabe von kostenlosen Laptops informiert wurde, wurde diese Maßnahme stark kritisiert. Die SchülerInnen würden ohnehin mit elektronischen Geräten aufwachsen, so das Gegenargument. Die Kinder und Jugendlichen – so die Kritik weiter – sollten beim Kauf dieser Geräte stattdessen einen Rabatt erhalten.

Diese Argumente sind nachvollziehbar. Viele Kinder verfügen über brauchbare Smartphones, die sie mit leeren Wertkarten betreiben, jedoch nicht über Laptops oder Computer; außerdem steht ihnen kein dauerhaftes Internet zur Verfügung. Dies wurde ihnen im Zuge der Corona-Krise zum Verhängnis. Krisen bringen die tatsächlichen Probleme eines Systems zum Vorschein. Als die Schulen geschlossen wurden und sich der Unterricht nach Hause verlagerte, konnten viele Kinder von ihren LehrerInnen plötzlich nicht mehr erreicht werden. Ein Smartphone eignet sich weniger gut, um Lernaufgaben schriftlich zu erledigen. Die soziale Benachteiligung wird somit deutlich sichtbar.

Eltern sind verzweifelt, denn ihre Kinder können ohne Computer nicht am Unterricht teilnehmen. Zusätzlich drohen Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit – ein doppelter Schlag für krisengebeutelte Familien, die Geld für die Anschaffung für elektronische Geräte benötigen. Aus der Krise gingen Nachbarschaftsinitiativen hervor, in denen versucht wird, gebrauchte Laptops zu organisieren. LehrerInnen und SchulsozialarbeiterInnen öffneten einzelne Schulräume, um Kindern Zugang zu Computer und Internet zu ermöglichen. Die Corona-Krise hat sehr deutlich gezeigt, dass viele Kinder im digitalen Zeitalter zurückgelassen wurden.

Reden wir endlich über Digitalisierung in der Bildung

Um hier Abhilfe zu schaffen, stellten der Staat und etliche Bundesländer Leihlaptops für einen befristeten Zeitrahmen (bis Ende 2020) zur Verfügung.  Nur: Jetzt im Herbst beginnt überall in Österreich wieder die Schule und es steht weiterhin kein umfassendes Digitalisierungsprojekt im Raum. Das heißt, die Bildungsverantwortlichen haben aus der Corona-Krise nichts gelernt und in der Zukunft wird uns das Thema weiterhin begleiten. Sehr mühsam! Vielleicht helfen meine drei Vorschläge den Verantwortlichen, hier endlich aktiv zu werden.

·         Reformiert die Schulbuchaktion! Thomas Narosy hat in seinem Umbruch.at-Beitrag recht: Die geniale Sachleistung aus den 70er Jahren soll endlich ins 21. Jahrhundert kommen. Sprich, jedem Kind sein eigenes Laptop mit passenden E-Books und notwendiger Software.

·         Reformiert den Unterricht! Auf Universitäten und im Berufsleben wird viel am Computer geschrieben.  Aber warum nicht auch in der Schule? Laptops sollen viel mehr in den Unterricht eingebunden werden.

·  Öffnet Schulräume für den Internetzugang! In allen Schulen sollen Kinder auch am Nachmittag die Möglichkeit haben mit ihren Laptops über den Schul-WLAN zu arbeiten. Etliche Schulen sind schon gut mit kabellosem Internet ausgestattet – doch leider fehlt es oft an ausreichender Nachmittagsbetreuung.

Österreich muss es endlich schaffen: Holen wir jedes Kind ab und geleiten es endlich ins digitale Zeitalter! 

Konstantin Böck ist ausgebildeter Sozialarbeiter und Vorsitzender der Volkshilfe Favoriten.


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